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Geschichten rund um die alpine Spielwiese von St. Moritz

Auf Tradition gebaut

Auf Tradition gebaut

Von
Mathis Neuhaus

Der britische Architekt Lord Norman Foster ist einer der besten seines Felds, zahlreiche seiner Bauten prägen Metropolen, wurden zum Kanon. Sein Status macht ihn zu einem idealen Partner für das Kulm Hotel. Er verantwortete die Renovation des Kulm Country Clubs, baute die angrenzende Tribüne und wird in den nächsten Jahren mit weiteren Interventionen die Identität des Hotels weiterentwickeln. Im Winter eröffnet die von ihm gestaltete Alpine Sports Lounge & Boutique, über die er im Gespräch mit Mathis Neuhaus Auskunft gibt, genauso wie über die Besonderheiten des Bauens im Engadin.

Welche Überlegungen leiten Sie, wenn Sie in den Bergen – und speziell in St. Moritz – bauen?

Die traditionelle Architektur des Engadins – zurückgehend bis ins Mittelalter – mit ihren grosszügigen Massstäben, grossen Dächern und abgeschrägten Fenstern ist weltweit einzigartig. Sie hat eine moderne Architektengeneration inspiriert – etwa Le Corbusier –, eine neue Sprache zu entwickeln. Seine Kapelle in Ronchamp hätte meines Erachtens ohne das Vorbild der Engadiner Architektur, die er nachweislich studiert und besucht hat, nicht entstehen können.

Die verschiedenen Projekte in St. Moritz, bei denen ich das Privileg hatte, daran zu arbeiten, sind respektvoll gegenüber ihrem Standort und zugleich auf eine gewisse Zeitlosigkeit ausgerichtet. So ist etwa die Chesa Futura eine Verbindung von moderner Technologie und traditionellem Handwerk. Sie ist würdig gealtert. Die Lärchenschindeln an der Fassade führen eine lokale Bautradition fort. Die den Witterungen ausgesetzten Teile haben eine dunkle Patina angenommen, die sich mit dem Gestein der Berge verbindet, während die Unterseiten noch immer den ursprünglichen goldenen Ton bewahren.

Ähnlich verhielt es sich mit dem alten Eispavillon im Kulm Park, der über Jahrzehnte hinweg sich selbst überlassen war. Hier bot sich die grosse Chance, das Gebäude, und damit auch diesen Teil des Orts, zu revitalisieren. Wir wollten Alt und Neu miteinander verbinden, sodass der bestehende Bau und die neuen Pavillons zusammen einen neuen gesellschaftlichen Mittelpunkt bilden. In der Tradition eines kleinen Stadions konzipiert, ist er heute ein Fixpunkt im Jahreskalender sportlicher und kultureller Veranstaltungen. Restaurant und Lounge ergänzen die Nutzung des Parks: Im Winter können sich Eltern entspannt einem Kaffee widmen, während ihre Kinder auf dem Eis laufen; im Sommer bieten die Terrassen den perfekten Aussichtspunkt auf die Veranstaltungen. Der Kulm Park ist ein neues soziales Zentrum von St. Moritz.

Bei der Renovation des bestehenden Gebäudes war uns wichtig, das Alte zu respektieren und neue Elemente, obwohl zeitgenössisch, in derselben historischen Essenz weiterzuführen. Der neue Pavillon ist ebenfalls aus Holz errichtet und bringt neues Leben an die Peripherie des Geländes. Die Kupferkante entlang der geschwungenen Kontur des Pavillons ist zudem ein Beispiel dafür, wie traditionelle Methoden oft die beste Lösung für komplexe, computergenerierte Geometrien bieten können.

Die für die nahe Zukunft geplanten Eingriffe im Kulm Hotel bauen auf 165 Jahren aussergewöhnlicher Geschichte auf. Der Masterplan ist das Zelebrieren des Pioniergeistes des Hauses, der Traditionen, lokales Handwerk und zeitgenössische Innovationen miteinander verbindet, um den Hotelgästen ein unvergleichliches Erlebnis zu bieten. Eine neue Eingangssituation und erweiterte Flächen für Boutiquen und Galerien führen noch mehr Leben zurück ins Hotel und verknüpfen Bau und Gelände stärker mit der Via Maistra.

 

«Unsere Pläne für das Kulm Hotel knüpfen an über 165 Jahre eindrückliche Geschichte an. Sie lassen den Pioniergeist des Hauses neu aufleben – diese einzigartige Verbindung von Tradition, Innovation und meisterhaftem Handwerk.»

Gibt es einen bestimmten Moment oder eine bestimmte Szene aus Ihrer Zeit in St. Moritz, die für Sie das Wesen dieses Orts einfängt?

Oft, wenn ich beim Langlaufen bin, beeindruckt mich die Grösse und Erhabenheit der Natur ebenso wie die Vielfalt der historischen Architektur in den Dörfern und Städten des Engadins.

Wie bewegen Sie sich in Ihrer Arbeit zwischen den Polen der Tradition und der Moderne? Und wie füllen Sie diese Pole mit Bedeutung?

Dort, wo Gebäude unterschiedlicher Epochen, Stile und Materialien nebeneinander gewachsen sind, entsteht eine besondere Vielfalt und Tiefe. Ich habe mich stets für die Wieder- und Weiterverwendung historischer Bauten eingesetzt, die durch sensible Eingriffe ein neues Leben erhalten können. Ziel ist es nicht, die zeitgenössische Ergänzung in den Vordergrund zu stellen, sondern den Zugang zu ermöglichen – und so noch mehr Menschen die Nutzung und die Wertschätzung alter Gebäude zu eröffnen, wie es zuvor nicht möglich gewesen wäre. In diesem Sinn sind sie die höchste Form der Anerkennung, weil es genau darum geht: den Wert eines Gebäudes zu erkennen, ihn zu bewahren und seine Zukunftsfähigkeit zu sichern. Ein bestehendes Gebäude weiterzuverwenden, statt neu zu beginnen, ist die nachhaltigste Lösung überhaupt.

Inwiefern beeinflusst der Gedanke an ein Vermächtnis Ihre Entwürfe?

Fragen des Vermächtnisses überlasse ich den Historikerinnen und Historikern.

Was macht aus Ihrer Sicht ein grosses Hotel aus?

Ein ausgeprägter Sinn für Ort und Geschichte, eine einladende Wärme, herausragender Service und die Fähigkeit, jedem Gast das Gefühl zu geben, etwas Besonderes zu sein. All diese Qualitäten vereinen sich im Kulm Hotel.

Und zum Schluss: Was zeichnet einen wirklich guten Skiraum aus?

Eine starke Fokussierung auf den Sport und den Komfort, verbunden mit der Geschichte und den Traditionen des Orts, ergänzt durch die Wärme lokaler Materialien.

Diese Geschichte erschien zuerst im Buch «Begegnungen/Encounters», publiziert vom Kulm Hotel St. Moritz.

Fotocredits: Yukio Futagawa

About the author

Mathis Neuhaus studierte Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation in Berlin und später Kulturpublizistik in Zürich. Er arbeitete in der Öffentlichkeitsarbeit und Kunstvermittlung an Institutionen wie dem KW Institute for Contemporary Art und dem Hamburger Bahnhof. Seit 2017 ist er als freier Autor für Medien wie Kunstbulletin, Republik und das Online-Magazin des Clubs Zukunft tätig. 2016 gründete er das transmediale Verlagsprojekt Transform mit. 2017 war er Writer in Residence in Hongkong, und seit 2019 gehört er zur Redaktion des Magazins zweikommasieben.